Dienstag, 5. Juni 2012

Schweinereien und Völkerverständigung

Das war echt 'ne Scheiß-Situation! Ich hatte mich gestern abend auf einem staubigen Plätzchen am Rand eines Ackers niedergelassen und nur das Sonnensegel aufgebaut. Als dann der Regen kam und das Tarp nicht genügend Schutz bot, hab ich schnell das Zelt aufgestellt und wenigstens die Klamotten ins Trockene gebracht. Sturm, Hagel und Sturzfluten haben die Welt um mich herum in Windeseile in eine einzige Schlammpfütze verwandelt - der Acker ist unter mir weggeschwommen. Ich mußte im Unwetter Zeltunterlage samt Zelt und Innereien ca. 100 m weiter weg ziehen - dabei haben meine Füße im Schlamm nichteinmal Halt gefunden.
Als das Gewitter vorüber war, waren ALLE Dinge, inklusive mir, mit einer dicken Schlammschicht bedeckt. Diese Schlammpackung müßte man beim Wellnesswochenende teuer bezahlen.
Da mein Wasser leider auch fast aufgebraucht war, konnte ich noch nicht mal den dicksten Dreck entfernen, bevor ich in's Zelt kroch.
Aber nicht genügend der Schweinerei: kaum war es dunkel hörte ich draußen verdächtige Geräusche und mußte nachsehen. Es dauerte eine Zeit, bevor ich erkannte, daß es eine Rotte Wildschweine war, die sich im Getreide direkt neben meinem Zelt herumtrieb. Weder rufen, noch klopfen noch anleuchten hat sie beeindruckt. So habe ich mir einen Stock in Reichweite gelegt (wohl eher zur mentalen Beruhigung denn als Waffe) und mich ins Zelt zurückgezogen. Den Abschluss der ganzen Schweinerei hat heute morgen die Befreiung meiner Lisl aus dem Schlick gebildet.
Übrigens, während ich das schreibe, habe ich mich in einem Wartehäuschen untergestellt, um das nächste Gewitter halbwegs trocken zu überstehen. Ich glaub, ich bin eine echte Gewitterziege!
In Dunayivtski gibt es einen Obst- und Gemüsemarkt! Ich decke mich mit Orange, Banane, Kirschen, Gurken und Tomaten ein. Dann finde ich noch einen Laden für den Käse - die haben hier ja alles, was das Herz begehrt! Und dummerweise haben sie den ganzen Tresen direkt auf Nasenhöhe mit dem leckersten Gebäck gespickt - da kann ich nicht vorbeigehen.
Die Menschen in der Ukraine wirken zurückhaltend, ja fast verschlossen. Auf jeden Fall strahlen sie keine Freude aus, wie ich das in Rumänien wahrgenommen habe.
Vielleicht liegt das ja auch an der russischen Sprache? Die klingt so hart und bedrohlich; besonders wenn sie von einem schwarz gekleideten, mit Funkgerät und Pistole bewaffneten Bodybuilder mit eindrucksvoller Gestik untermalt wird. Aber auch dieser Aufpasser wird zum freundlichen Helfer, sobald ein Kollege dolmetschen kann: er wollte mir nur erklären, daß vor ca. 1 h ein ähnliches Motorrad hier durchgefahren ist (vielleicht mein Gefährte?) und daß ich die von mir ausgewählte Strecke besser nicht fahren solle, sie wäre in sehr schlechtem Zustand.
Mit der Verständigung ist das sowieso so eine Sache. Ich habe dazu diverse Strategien beobachtet:
Die häufigste Taktik, um sich verständlich zu machen ist, einfach lauter reden.
Manche wiederholen das selbe Wort unendlich oft, in der Hoffnung, ich würde es dann schon irgendwann kapieren.
Äußerst interessant sind auch die ausführlichen und wortgewaltigen Erklärungsversuche für eine einfache Sache.
Irhan hatte eine ganz besondere Strategie - er ist einfach verstummt und hat dafür die Worte sehr ausdrucksvoll mit den Lippen gebildet.
Am Besten klappt die Unterhaltung meist mit Kindern, die Gestik und Mimik phantastisch einsetzen und oft auch noch trefflich Geräusche dazu imitieren.
Ich schaue mir ja ein Land und sein Volk auch gerne als Ganzes an und vergleiche. Sicher gibt es kulturelle Unterschiede, andere Bräuche und Gepflogenheiten; aber ich glaube, wir vergessen allzu leicht, daß ein Volk aus all seinen individuellen Menschen besteht. Und die haben, gleichgültig welchem Volk oder welcher Kultur sie angehören, alle die selben Freuden und Nöte, Ängste und Fragen wie wir selbst. Überall gibt es herzensgute Menschen, aber auch Spitzbuben.
Und in vielen Fällen klappt die Unterhaltung auch wortlos über alle Sprachbarrieren hinweg z.B. ein fester Händedruck, ein liebevoller Blick, Gastlichkeit und Schenken, Dankbarkeit, Freundschaft - Hand auf's Herz oder eine herzliche Umarmung!

Strecke