Donnerstag, 31. Mai 2012

Verkehrshölle

Eigentlich wollte ich ja heute schon in Odessa sein, bin auf dem Landweg aber ganz schön in Verzug geraten.
Dreckiggrauer Dunst liegt über Stadt und Land. Ein "real"-Markt und ein Burger-King: es ist wie das Auftauchen aus der stillen Tiefe des Ozeans in die tosende Verkehrshölle rund um Istanbul.
Die 4-spurige Schnellstraße fordert meine ganze Aufmerksamkeit: sie führt mitten durch Ortschaften und ist gespickt mit Abzweigungen, Kreuzungen, Fußgängerübergängen und Ampeln. Und das alles bei ca. 100 km/h. Je näher Istanbul rückt, umso dichter und wilder wird der Verkehr; es wird gehetzt, gedrängelt, auf allen Seiten überholt. Keine Zeit zum Verschnaufen oder den warmen Pulli auszuziehen.
Das Autobahngewirr ist zwar gut ausgeschildert, aber was hilft das, wenn stinkende rollende Container auf Tuchfühlung vor, hinter, neben und über mir jegliche Sicht rauben?
Die Autobahn ist gebührenpflichtg, aber es gibt keine verständlichen Hinweise, wie man die Bezahlung anstellen könnte; die Alternativen sind automatisch bezahlen, oder mit irgendeiner mysteriösen Prepaidkarte. Beide Möglichkeiten kann ich nicht bedienen und erzeuge so beim passieren einen ohrenbetäubenden Sirenenton. Die direkt danebenstehenden Polizisten und anderen Amtspersonen interessiert das aber herzlich wenig; genauso, wie anscheinend auch Überholen auf der Standspur für Zweiräder legitim zu sein scheint und Geschwindigkeitsbegrenzungen nur der Auflockerung des Straßenbilds dienen.
Ich hab die 2 h Verkehrshölle um Istanbul heil überlebt und die Autobahn mit einer Abachlusssirene verlassen!
Verflogen ist meine Sehnsucht nach buntem Treiben.
Kurz hinter Istanbul erwischt mich das nächste Gewitter auf der Autobahn und damit auf dem linken Fuß. Ein mittelstarker Schauer; ich geselle mich unter einer Brücke zu einem Rollerfahrer. Er meint, dies wäre ein selten heftiger Regen - auf meiner persönlichen Regenskala von 1 bis 10 würde ich hierfür etwa eine 4 geben.
Eingekauft und vollgetankt geht es dann Richtung "Bulgaristan". Eigentlich habe ich keine Lust mehr, aber es ist noch nicht so spät und ich sollte mich ja ein wenig sputen. So rolle ich dahin und lasse meine Gedanken zu meinen Freunden auf der ganzen Welt schweifen und mache bei jedem einen kleinen Besuch: von Aschbuch, Unsernherrn, Weinsberg, Düsseldorf, Hamburg und Dillenburg über Rust und Tiflis, nach Sabah und Mizda, bis nach Rolla,Trondheim und Ulan Bator. So fahre ich leichtsinnigerweise durch den nächsten Regenschauer (Stufe 6), ohne auf Regen umzurüsten, aber mit fröhlichen Gedanken.
Meine Route will heute leider nicht funktionieren. Ich bin bis kurz vor die bulgarische Grenze gekommen.