Sonntag, 20. Mai 2012

Strecke machen...

...will ich heute, nachdem ich festgestellt habe, wie weit der Weg noch ist. Die Straße eignet sich dafür, sie ist gut ausgebaut und führt eben an der Küste entlang. Allerdings sind einige Abschnitte noch nicht fertig und so wird der Verkehr mal nach rechts, mal nach links umgeleitet. Wenn man nicht wie ein Luchs aufpasst, weiß man nicht, ob man gerade mit Gegenverkehr rechnen muß oder nicht.
An einer kleineren Tankstelle soll die Lisl gefüttert werden. Der gutaussehende junge Tankwart "Ališ" - Mitte 30 - mustert Motorrad und Ausrüstung extrem genau. Er fährt auch Motorrad, genau wie sein Freund hier, der eben auf einer kleinen Enduro angekommen ist. Es wird etwas Benzin geredet. Ob mein Motorrad irgendeine Reparatur nötig hätte? Sein Freund sei Motorradmechaniker, der beste im ganzen Land! Und außerdem Rennfahrer; er wurde bei den griechischen Balkanmeisterschaften Fünfter! Da Ališs Englisch jedoch ziemlich begrenzt ist, gesellt sich noch ein Rechtsanwalt dazu, der den Dolmetscher spielt. Seinen Partner und Anwaltskollegen hat er auch dabei. Es wird ein fröhliches Pläuschchen bei einem çay! Ich lasse mich und die Lisl auch gerne fotografieren - natürlich mit allen Beteiligten.
Bald fängt es an zu nieseln. Da ich keine Lust auf "Ganzkörper-Verhüterli" habe, beschließe ich, auf jeden Fall zu fahren bis es wieder aufhört und die Klamotten trocken sind. Irgendwann kommt der Verdacht auf, daß ich dann vielleicht die ganze Nacht durchfahren müßte.
Iii ist das eklig, wenn die Nässe durch die Nähte kriecht, an den Achseln, im Schritt und sogar in den Kniekehlen. Nur die Schuhe sind dicht - allerdings erst, nachdem das Wasser drin ist! Sie waren übrigens zwischenzeitlich schon mal trocken gewesen, was aber leider am Geruch nichts geändert hat.
Ach, kann so ein Tunnel schön erholsam sein - und gar nicht lang genug! Kilometer um Kilometer legen wir zurück und es wird schwärzer und schwärzer... In Ordu wird gerade ein Fest abgehalten; die Stadt ist verstopft, meine Brille beschlagen und die Bremsen greifen nicht - tolle Kombination!
Das mit der Sintflut, das war doch hier - oder?!
Die Passage einer der vielen Wasserlachen mit ca. 70 km/h ist dann doch erschreckend; das Wasser scheint tiefer als erwartet und so reißt es mir die Füße von den Rasten - so etwas habe ich noch nie erlebt!
Als es endlich etwas heller wird haben wir schon 250 km im Regen zurückgelegt und es ist bereits Abend. Die Autobahn führt direkt an der Küste entlang und mitten durch die Städte; da ist nichts mit Camping. Ich werde mit einem Parkplatz vorlieb nehmen, der oberhalb der Klippen einen kleinen Grünstreifen hat. Allerdings steht da irgendein Schild... Ich frage an der Teebude (ein umgebauter Bus) ob ich hier wohl übernachten dürfte? "Natürlich, kein Problem" erklärt mir Ziya, der Besitzer, bei einem genütlichen Tee. Nach längerer Unterhaltung meint er aber, im Hafen der nächsten Ortschaft wäre es sicherer; ich soll ihm hinterherfahren. Na ja, ich bin gespannt. Das Ergebnis: ich übernachte in der kleinen Hafenkneipe eines Freundes, die aus einem Raum besteht; die Lisl steht unterm Vordach direkt am Meer.
Ich muß ergänzen, daß es auf der kurzen Fahrt hierher schon wieder so schrecklich gegossen hat, daß alles nur so trieft! Bin ich doch froh über das Dach überm Kopf.

Die heutige Strecke